Trauer.
Was verbinden Sie mit dem Wort?
Eine Frage, auf die sie im stillen antworten können. Ich werde sie leider nicht hören, wenn Sie sie mir nicht direkt mitteilen. Und wissen Sie, ich hüte mich in letzter Zeit oft davor, davon zu sprechen.
Denn über Dinge, über die man keine Ahnung hat, sollte man nicht sprechen. Mansplaining. Was auch immer. Und wie so oft mit abstrakten Worten (wie Liebe, Demut, Gerechtigkeit, um einige aufzuzählen) ist es schwierig deren genaue Bedeutung zu erfassen. Kinder lernen Wörter einfach zu benutzen und mit ihren Sinnen zu assoziieren. Und wenn Maman erklärt, wie sie mit dem Vater umgeht, wenn sie sich lieben, dann sehen wir anhand unserer familiären Lage, was Liebe ist oder sein kann. Und die Hollywood-Dramatisierungen tuen auch ihr Übriges. So sollten höre ich doch von einer Familie, die gemeinsame Werte vertritt, in der die Familienangehörigen sich auf eine praktikable Art familiärer Zuneigung zumindest im Großteil einig sind.
Über Trauer haben wir wenig geredet. Ich weiß nicht genau, aber heute habe ich eine gewisse Trauer gespürt von der ich nicht genau wusste, woher sie kommt. Vielleicht ist es auch bloß ein Ausdruck der Beschwerden, die sich im Inneren anhäufen, wenn man ungeduldig ist. Ich beneide die Menschen, die stets sagen „Ach, jetzt ist schon wieder ein Monat um. Das ging ja schnell“. Aber vielleicht beneide ich damit einfach bloß diejenigen Menschen, die ständig was zu tun haben. Ich bin nun in der misslichen Lage, dass ich seit langem Mal wieder in die Rolle des Arbeitslosen schlüpfe – ich gebe zu, dass ich mich schon automatisch daran gewöhnt habe, mich selbst wie eine Spielfigur zu behandeln und dadurch von meiner Person Distanz gewinne. Es ist doch etwas anderes, selbst in der Lage zu sein anstatt über jene bloß zu sprechen, die davon betroffen sind. Gearbeitet hatte ich von April 2023 bis Oktober 2024 mit einem Monat Pause. Im Anschluss schrieb ich meine Bachelor-Arbeit und seit Mitte Februar suche ich nach Arbeit. In Erfurt und Thüringen, eigentlich dem Land der Dichter und Denker, ist ein Philosophie-Abschluss jedoch kaum nützlich. Es sei denn, man habe Lust der Hegelschen Staatsphilosophie zu dienen. Ich erinnere daran, dass der gewitzte Schopenhauer seine Anerkennung erst nach seinem Tode erhielt und durch ein gutes Erbe über die Runden kam. Es hatte ihm sicherlich keinen Spaß gemacht, dass Preußen nur diejenige Philosophie förderte, die dem Staate zu gute kam.
Nun. Das Schöne ist nun, dass der Philosoph nicht nur keine Arbeit hat, er kann sogar ziemlich viel dazu sagen. Nach Günther Anders sei der Arbeitslose der letzte Mensch in der technisierten Gesellschaft. Mensch im Sinne von, dass er nicht als Teil einer Maschine funktioniert, sondern eben seine Weltoffenheit beibehält. Und Weltoffenheit ist diesem Philosophen ziemlich wichtig, weil der Mensch ohne Instinkte geboren wird und sich in neuen Umgebungen zurechtfinden muss. Bedenken Sie dieses: Die Menschen in der heutigen Zivilisation sind mit sehr ähnlichen Genen zu den Menschen der ersten Hochzeiten (also etwa 5.000 Jahre v. Chr.), doch die Umwelt in der wir aufwachsen ist eine völlig andere. Und das, so Anders, mache den Menschen so einzigartig. Andere Tierarten können sich auch ihrer Umwelt irgendwie anpassen. Aber sie werden wohl nicht lernen, Atomwaffen zu konstruieren.
Wie dem auch sei. Ich bin kurz weggedriftet. Zehn Minuten später und der Text brachte mich auf einige verschlungene Pfade und ich bin schon wieder gut gelaunt. Es ist auch ein Jammer manchmal. Die Trauer kommt und ich spüre sie einige Stunden vor mich hin. Und dann denkt ich mir, nutz doch den Moment, um diesem etwas Ausdruck zu verleihen und schon beim Schreiben ist sie verflogen. Ich habe nicht so häufig die Chance, die Worte aus der Emotion fließen zu lassen. Für traurige Texte bin ich oft zu keck. Und nun bleibt es mir wieder versagt.
Nun ja, es wird noch eine Weile dauern, bis ich ordentlich lerne, über Trauer zu sprechen.
Was denken Sie? Driften Sie ruhig ab. Es wird schon noch die Gelegenheit kommen in Trauer darüber nachzudenken, was einen überhaupt befällt.
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