Ich möchte dieser kleinen Schrift einer jungen, herzlichen Frau widmen, die mir vor kurzem begegnet ist. Ich sehe mich selbst als Dichter und Dichter ohne Musen sind langweilig. Und darum bin ich vermutlich auch ein wenig verschroben, verrückt und manchmal ein klein wenig gemein, wenn es um Frauen geht. Aber die Gemeinschaft hat es in ihrem Wort ausgedrückt. Einige wenige Menschen wissen von der Gemeinschaft und stemmen sich vehement dagegen (nicht ohne Grund heißt der berühmte, russische Revolutionär Trotzki; wenn er Deutscher wäre, die Deutschen hätten sicherlich große Vorsicht vor seinem Namen). Ich habe ja eigentlich das Gefühl, dass ich eine Partnerin haben sollte, eigentlich nicht um meinetwillen, sondern dass ich nicht zu viel Schabernack mit anderen Frauen treibe. Zum Glück kann ich mich auch manchmal so verstellen, als ob ich ganz normal wäre.
Nun denn, ich habe gestern eine Frau gesehen und sie hat mich ganz in ihren Bann gezogen. In der Abschiedsnotiz zu Magdeburg erwähnte ich bereits die schönsten Frauen der Welt. Und auch wenn es nicht unbedingt irgendwas mit der Realität zu tun hat, so denke ich, dass schönste Frauen eigentlich nur eine Metapher für eine besondere Erinnerung sind, die man hat und die man bewahren möchte. So etwas ist äußerst selten und manchmal kommt es mir so vor, als bliebe ich mein ganzes Leben allein und müsse unverheiratet sterben (das könnte auch durchaus sein, aber nichtsdestotrotz war mein Leben sehr lustig und ich habe viele Freunde lieb gewonnen). Ich brauche auch nicht unbedingt jemanden, um das Leben genießen zu können, aber zu zweit müsste das Leben in meiner Vorstellung doch doppelt so lustig sein. Und gestern traf ich eben eine Frau, die mir so ein eigenartiges Gefühl gab, welches ich seit letztem Juli nicht mehr gespürt habe: Ich war wirklich etwas schüchtern. Und Schüchternheit ist nur der Fall, wenn einem die Meinungen von anderen wirklich wichtig ist. Wenn man einen Schwarm hat, dem man sich offenbaren möchte, aber zugleich nicht alles offenbaren kann. Ich finde eigentlich alle Menschen toll, aber es ist dort auch in Ordnung, wenn man sich nicht allen offenbart. Dann wäre das ja überhaupt nichts Besonderes. Das Sich-Offenbaren, das darf man sich nur ganz wenigen Menschen vorbehalten, wenn man wirklich etwas Bedeutendes in seinem eigenen Leben gefunden hat. Den anderen kann man einfach irgendwelche Geschichten erzählen und nette Gespräche führen, man kann dort pragmatisch und vielleicht auch geschäftlich vorgehen. Mit Freunden macht man schließlich die besten Geschäfte, denn die besten Geschäftsbeziehungen halten ein Leben lang. Sich ganz jemanden hinzugeben, das kann man aber nur gegenüber einer Person. Das Bedürfnis haben vermutlich auch nur Dichter, wer sich nicht ganz hingeben möchte, der ist dann auch bloß Teilzeitdichter.
Die junge Frau hatte mich an mein liebstes Buch Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry erinnert. Ich hatte sie gesehen und aus irgendeinem Grund ging mir danach das folgende Zitat nicht mehr ganz aus dem Kopf: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen blind.“ Und wie es der Zufall will, ist das 21. Kapitel Freundschaft mit dem Fuchs ein ganz besonderes Kapitel. Ich habe es bis jetzt noch gar nicht literarisch verarbeitet. Ich hatte aber schon einmal vor einiger Zeit auf einer Kundgebung einen politischen Poetry-Slam Text vorgetragen, in dem ich Bezug auf die verschiedenen Planeten mit diesen doofen Erwachsenen genommen habe (das war auch sehr mystisch, weil damals die erste schönste Frau der Welt auch anwesend war und obwohl wir uns damals zerstritten haben, sie hat mit so bittersüßen, traurigen, braunen Rehaugen zugehört). Meine Generation ist ja diese, welche so langsam zur Ernüchterung kommt, erwachsen sein zu müssen und mich schaudert es manchmal, wenn ich ihre tiefe Trauer von ihrer verlorenen Kindheit spüre. Diese ist aber nicht verloren, sie haben nur aufgegeben, Wege zu finden, sie sich zu erhalten.
Kurzer Einschub: Ich erinnere mich an irgendein ein YouTube-Video von dem Skateboarder Zack Dowdy, der schon etwas älter ist (ein wahrer OG). Er nahm eine Skate-Session mit einem 50-jährigen Skater auf und einem Rollstuhlfahrer und sie haben die ganze Zeit versucht, einen zwei Meter Wallride (also mit dem Skateboard zwei Meter hoch die Wand entlang) zu schaffen. Er fragte an einer Stelle den Rollstuhlfahrer, wie man mit dem Älterwerden umgehen sollte und dieser antwortete etwa: „You don’t stop skating when you’re getting older. But you’re getting older when you stop skating.“ Ich skate seit 3 Monaten wegen einer Verletzung am Zeh nicht mehr, aber so langsam, ist diese richtig ausgeheilt. Vielleicht lag es an der Sonne, vielleicht an der jungen Frau, die mir einen vorläufigen Korb gab (aber trotzdem ihre Nummer), aber ich war davon so genervt, dass ich seit langem nicht mehr so ein intensives Gefühl hatte, zu skaten. Ich hatte heute morgen sogar geträumt, dass ich mit Snicks, Jeffe und Kono in irgendeinem Spot, den ich nicht kannte skaten war. So schlimm ist es geworden, dass ich sogar schon vom Skaten träumen muss!
Mir ist manchmal etwas langweilig im Leben und ich suche eigentlich ständig nur Leute, mit denen ich zusammen spielen kann. Ich meine damit nicht bloß die zwischenmenschliche Interaktion, aber auch die politische, mediale oder wirtschaftliche. Das sind alles Spiele, die Spielregeln haben und mit denen man spielen muss. Ich hatte vor einiger Zeit einen Trading-Bot für Kryptowährungen entwickelt und wenn man sich ein wenig mit Fundamental- und technischer Analyse befasst, dann kann man auch verstehen, warum die Märkte so und so funktionieren und warum Altersvorsorge und Aktien trotzdem wichtig sind. Ich halte mich mit diesem Spiel aber nicht zu gerne auf, weil mir die Spielregeln zu blöd sind. Daher beschränke ich es auf einige Stunden im Monat. Mit den politischen und medialen Spielregeln halte ich es genauso, einige Stunden im Monat und wenn man zu oft Spiele spielt, deren Spielregeln bescheuert sind, dann hat man auch keinen Spaß.
Aber man zu dem Fuchskapitel. Es gibt Spiele, die viel mehr Spaß machen (z. B. Musik, Kunst und Literatur) und die schönsten finden sich in der Liebe und in der Freundschaft. Nicht ohne Grund heißt es Dating-Game. Man sollte einfach mal einige Studien dazu lesen, wie Anziehung, Attraktivität und Kommunikation funktionieren. Oder man macht seine eigenen Feldstudien (und die machen viel mehr Spaß!). Ich glaube, der kleine Prinz hat das auf eine wunderbare Weise dargestellt. Der Fuchs sagt „Nichts ist perfekt“ und fährt fort mit „Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander und alle Menschen sind gleich. Das langweilt mich ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben heiter wie die Sonne sein.“ Vielleicht sollte man diesen Absatz kurz auf sich wirken lassen. Vielleicht kann man ja mal überlegen, was man selbst ist: Ein Mensch, ein Fuchs oder ein Huhn?
Erwachsene Menschen, die Kinderbücher schreiben, denken doch immer mehrdeutig. Ein sehr lustiges Beispiel ist das Buch „Dee’s Big Nuts„, in dem die Geschichte von einem Eichhörnchen mit seinen großen Nüssen erzählt wird. Dort ist es sehr offensichtlich, was die zweite Ebene ist. Kinder verstehen diese zweite Ebene nicht, aber Erwachsene und darum ist der kleine Prinz auch eines der schönsten Märchen. Und ich möchte die zweite Ebene hier einmal erörtern.
Der Prinz trifft auf den Fuchs und sucht eigentlich Menschen, mit denen er sich anfreunden kann. Menschen, die sind, wie er. Aber der Fuchs, der natürlich ein klein wenig anders ist, sucht auch Menschen, mit denen er sich anfreunden kann. Ständig treffen wir Menschen aufeinander mit den unterschiedlichsten Hintergründen. Wir laufen nur an ihnen vorbei. Wir ignorieren sie in der Bahn. Wir haben keine Zeit – besser gesagt wir nehmen uns keine Zeit – uns mit ihnen zu beschäftigen. Es ist dieses ständige Gefühl „Ich muss ganz erwachsen sein und Erwachsene beschäftigen sich eben mit Zahlen, Politik und Nachrichten“. Das wird uns ständig erzählt und darum herrscht in der Gesellschaft auch eine so große Depression, Trauer und Wut. Und dann denken sich Menschen „Ich muss stark sein, denn sonst bin ich nicht erwachsen“ und dann vergraben sie diese Gefühle tief in ihrem Inneren und laufen mit einer aufgesetzten Fassade umher. Kafka schrieb dazu einmal: „Ich schämte mich, als ich bemerkte, dass das Leben ein Maskenball ist, und ich mit meinem wahren Gesicht teilgenommen habe“. Das Problem ist eigentlich nicht, dass er mit seinem wahren Gesicht teilgenommen hatte, sondern dass er sich dafür schämte. Menschen sollten frei sein von Scham, frei von dem Zwang, irgendwas Wichtiges vollbringen zu müssen, dafür ist die kurze Lebenszeit doch viel zu schade. Ich meine damit auch nicht, dass es etwas Schlimmes wäre, etwas Wichtiges zu vollbringen, das wäre sogar sehr wünschenswert. Aber es sollte kein Zwang sein. Denn – das lehren uns die Sterne – in einer fernen Zukunft ist das alles egal. Das, was wichtig ist, ist sich zu begegnen. Und man kann sich frei aussuchen, mit wem man Zeit verbringen möchte. Ich möchte am liebsten so viele Menschen wie möglich kennen lernen. Wenn man gut dichten möchte, braucht man nun mal auch eine Menge Erlebnisse.
Der Prinz, der zunächst nur nach Gleichgesinnten (nach Menschen) ist, wird dann vom Fuchs angesprochen: „Man versteht nur die Dinge, die man zähmt. Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Da es aber keine Läden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, dann zähme mich!“
Dieser Absatz sollte auch erstmal für sich wirken.
Schauen wir uns diese Metapher nun einmal für die Liebe an. Es ist nun mal so, dass man manchmal der kleine Prinz, manchmal der Fuchs ist. Ich glaube, ich bin häufiger ein Prinz. Aber ich durfte als Fuchs auch schon einige Prinzessinnen kennenlernen. Und das sonderbare ist, dass ich diese Erkenntnis vor 5 Jahren auch schon mal in irgendeinem Block gekritzelt habe und es mir gut in Erinnerung geblieben ist: „Ich verbrenne Paläste, doch suche ich trotzdem nach Prinzessinnen“. Ich bin zwar nicht mehr so revolutionär, dass ich so destruktiv bin, aber mir ist doch aufgefallen, dass ich mich immer in einen sehr Prinzessinnen-ähnlichen Typ verknallt habe. Ich habe früher mit meiner Schwester vielleicht zu viele Barbie-Filme geschaut, aber eigentlich fand ich das, was darin übertragen wurde ja gar nicht so schlecht. Prinzessinnen haben ein gutes Herz, Führungskraft und sie bewegen sich sehr elegant (weil sie tanzen und so). Dass sie schön sind, das ist einfach dem geschuldet, dass sie sich gut um sich selbst kümmern (gesunde Ernährung, Bewegung) und einen Frohsinn haben (denn das haben auch irgendwelche Studien mal gezeigt, ein glückliches Gehirn korreliert auch mit einem schönen Äußerem). Als Prinz trifft man überall auf Füchse und Füchsinnen und sie zu zähmen bedeutet einfach nur „geduldig zu sein“ und Zeit miteinander zu verbringen. Mehr ist es doch auch gar nicht. Die Werbung des 21. Jahrhunderts hat uns jungen, formbaren Menschen eingebläut, dass wir dieses oder jenes Kleidungsstück, Parfum oder Auto haben müssen, damit uns jemand mag. Aber eigentlich müssen wir der anderen Person einfach nur genügend Zeit schenken und geduldig sein.
Und da hat der Fuchs ja doch ganz recht, wenn er später zum Abschied erwidert „Hier ist mein Geheimnis. Es ist sehr einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“. Die Werbung und der ganze Schnickschnack, die ganzen Läden in den Straßen, die ganzen Menschen, die uns umgeben. Wie sehen wir diese? Sehen wir diese mit den Augen oder mit dem Herzen? Mit genug Menschenkenntnis kann man an den Blicken der Menschen ablesen, ob sie reinen Herzens sind oder bloß vor sich hinleben um zu verurteilen. Vielleicht sehen sie sogar mit dem Herzen, doch es ist durch Grausamkeit, Trauer und Wut ganz verdreckt, so dass sie gar nicht mehr zwischen Mensch und Ding unterscheiden können.
Es ist auf jeden Fall sehr selten, dass ich in den Genuss komme, ein Fuchs zu sein. Ständig wird von den Männern erwartet, dass sie den ersten Schritt machen. Ständig wird von einem erwartet, dass man dieses oder jenes tun oder lassen soll, damit man „normal“ ist. Es ist mir langweilig geworden. Ich bin schon nicht mehr Prinz, ich bin ein Fuchs, der sich nur mit Hühnern beschäftigt. Und Hühner sind ja nichts anderes als die Nahrung des Fuchses, nichts anderes als der Alltag, mit dem er sich beschäftigen muss, um über die Runden zu kommen. Auch mit anderen Menschen zu reden, in einer nicht-menschlichen Art, ist auch nichts anderes als sich um Hühner zu kümmern. Ich gehe einkaufen und am Ende wünscht man dem Kassierer oder der Kassiererin einen guten Tag. So solche Beispiele meine ich. Die Antwort ist dann, weil es in der Job-Beschreibung steht, „danke Ihnen auch“. Und so wiederholt sich das Woche für Woche. Und manchmal spricht man tatsächlich mit einem Huhn – der moderne Volksmund würde sagen: „Talahuhn“.
Es ist mir ein Verdruss manchmal. Aber ich lebe nun mal damit. Es gibt vielleicht ein dutzend Menschen, die mich jemals gezähmt haben. Von denen ich denke, dass sie bis an mein Lebensende erhalten bleiben. Entweder in einer wirklich guten Beziehung oder in einer guten Erinnerung (ja manchmal sind es dann Prinzessinnen, die zu einer anderen Rose zurückkehren). Und Füchse sind nun mal listige Raubtiere. Ich bin mir dessen auch bewusst. Ich tue natürlich auch manchmal schlimme Dinge, aber die tue ich eben auch, weil mich niemand zähmt. Das ist doch kein Wunder, dass ein Raubtier dann Unsinn treibt, wenn es niemand zähmen möchte. Und auch wenn, ich die volle Verantwortung dafür übernehme, ja in seltenen Fällen, da lasse ich lieber meine Triebe freien Lauf, als dass man ein zahmer Hund wird. Wenn mir das vorgeworfen wird, dann bitte. Dann zähmt mich doch.
Wer weiß, vielleicht treffe ich die junge Frau, der ich diese Schrift widme, in zwei Monaten wieder. Vielleicht hat sie ja dann die Muße mich zu zähmen. Vielleicht hat sie aber auch bereits eine Rose gefunden (denn auch ein Fuchs kann irgendwann eine Rose werden). Oder vielleicht bin ich dann Prinz und habe eine Füchsin gezähmt. Aber egal, ob ich dann Prinz oder Fuchs oder ein Wechselspiel aus beiden bin, ich werde mich niemals zu einem Huhn hinab begeben – Hühner können nämlich nicht dichten.
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