Ich erinnere mich vage an eine Szene aus Boruto (das ist der nachfolgende Anime von Naruto, der die ganzen technologischen Veränderungen miteinbegreift), in der ein Jüngling seinen Lehrmeister Folgendes fragte: „Lieber Meister, uns wird doch immer gepredigt, dass wir uns anstrengen sollen, damit der Wohlstand unserer Vorfahren erhalten werden kann und damit wir daran anschließen können. Doch mir kommt es manchmal so vor, als wurden alle großen Geschichten schon geschrieben. Als gäbe es schon zu viele Legenden. Ich wüsste nicht unter welchen Umständen ich mich für würdig erweisen würde, mich in die Reihe dieser Legenden zu gesellen.“
Als ich davon das erste Mal hörte, war mir, als wurde tief aus meinem Inneren gesprochen. Gefühlt gibt es in der Welt schon so viele Geschichten und Selbstrepräsentationen, in denen der ewige soziale Krieg dargestellt wird. Und man muss wohl annehmen, dass es zwei Arten gibt, sich dem zu stellen: Entweder man ist ein totales Genie und überflügelt alle anderen oder man widmet sich engstirniger, fleißiger Arbeit. Ich las ein wenig in der Biografie von Murakami weiter und auch wenn ich ahnte, er gehört zu der Art Schriftsteller der zweiten Kategorie. Und in dem Kapitel, das ich las meinte er auch, dass die meisten Leute erwarten, dass Schriftsteller, wenn sie denn schon spannende Geschichten schreiben, ja auch irgendwie interessant sein müssen. Ich glaube, diesen Anspruch habe ich auch oft versucht, zu genügen und mir kommt es immer so ein wenig vor, als dürfe man nichts interessantes schreiben, wenn man kein interessantes Leben hat.
Doch wir leben nicht mehr in Zeiten des Krieges. Wir haben eigentlich keinen Grund, uns der Not hinzugeben. Und ich würde auch sagen, dass ich auch ohne Not heute in einer Situation bin, die ich mir anders vorgestellt hatte. Manchmal gibt es mir richtig einen Kopffick, wenn ich mir vorstelle, was ich damals vor 5 Jahren erhofft hatte, wo ich heute bin. Ich würde sagen, ich wäre sehr stolz auf mich in der Hinsicht, dass ich ein sehr vielfältiges und – würde auch sagen – interessantes Leben hatte. Aber eigentlich geht es ja nur darum, irgendwas zu kompensieren. Murakami drückte es auch darin aus: Sein Leben besteht größtenteils aus Schreiben, Sport machen, vielleicht ein wenig ausgehen, aber mehr oder weniger ist das Leben einfach nur chillig und unaufregend.
Ich würde auch gerne so ein Leben führen. Ohne den Druck auf einen Selbst. Ich habe manchmal das Gefühl, dass mich das alles ein wenig kaputt gemacht hat. Und das liegt auch einfach daran, dass ich einfach unbedingt wissen wollte, wie das Leben ist. Jeder Lebensstil hat seine eigenen Angewohnheiten und diese herauszufinden und zu verstehen, hat mir immer eine große Freude bereitet. Aber im Tiefsten, wünsche ich mir eine heile Welt, wie sie mir in den vietnamesischen Märchen geschildert wird. Das heißt, man führt ein einfaches, selbstautarkes Leben und schaut sich den ganzen Tag Natur an. Wenn man Glück hat, hat man auch noch ein kleines Häuschen und eine nette Familie. Und dann führt man sein Leben abseits vom Weltenkrieg.
Das ist ja auch der einzige Grund, warum Menschen andere überhaupt für interessant finden. Es gibt irgendwie so einen unbewussten Kampf in der kollektiven Masse. Und dieser Kampf basiert nicht auf Liebe und Verständnis oder irgendwas, sondern Ideologien, die sich gegenseitig verachten und das aber unter einem euphemistischen Deckmantel als Toleranz abtun. Wahre Toleranz, so sag ich das jetzt mal als anarchistischer Individualist oder wie man das nennen mag, zeigt sich in der Ignoranz. Ja, überhaupt ist Ignoranz eigentlich eine sehr positive Eigenschaft, weil man sich mal aktiv rausziehen kann.
Wir sprechen heutzutage von einer Aufmerksamkeitsökonomie, dass das neue Gold die großen Datenmengen sind. Jeder möchte irgendwas von einem, dass man sich im Internet frei bewegt, suggeriert einem ja Freiheit, aber man muss sich gleichzeitig bewusst werden, dass man im Internet zu einer Ware degeneriert. Und hat man mal ein Label, dann muss man eben viel Marketing betreiben, damit sich das öffentliche Bild in irgendeiner Weise ändert. Wir haben wohl alle aus der Geschichte nur gelernt, so zu tun, als wären wir Adlige, da das damals wirklich die einzigen waren, die aus sinnlosen (Gott) Gründen sehr viel unnötige Aufmerksamkeit erhalten haben.
Okay, ich bin ein wenig abgeschwiffen. Sie sehen, es ist nicht einfach um diese Sache. Der Fortschritt der Menschheit zeigt sich darin, dass wir ignorieren verlernen. Wir haben keine Kontrolle über unsere Gedanken. Wir können uns zunehmend weniger aussuchen, wer wir sein wollen. Man könnte es sehen. Und ich glaube, dass Menschen in dieser Ohnmacht, Privatsphäre wieder richtig schätzen lernen (ich wollte eigentlich irgendwo anders hin, aber jetzt hab ich diesen letzten Lehrspruch, damit ich enden kann).
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