Angesichts des Schlafs

Lesedauer: ca. 2 Minuten

Verliebt sein ist, eine Bedeutung – trotz aller Vernunft – zu bejahen. Ein purer Akt der Rebellion gegenüber der Absurdität des Lebens. Und auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass all das Umherwälzen im Bett mit festgedrückter Bettdecke in den Armen, dass das peinliche Kichern über und unter der eigenen Schamesröte, dass das Vertiefen in die Fantasie, die doch ein ganz falsches Bild der Realität, falls es sie gibt, manifestiert, dass all das bloße Spielereien sind, vielleicht um das Begehren soweit zu treiben, um die biologische Not der Fortpflanzung zu befrieden, so komme ich nicht umhin zu sagen, dass ich in diesen Stunden der Absurdität das Leben als Ganzes in seiner Fülle erahnen kann. Sowohl die Trauer und Freude schlagen sich in meinen Gedanken nieder, als auch eine Befriedigung, die diese Unvernunft mit sich bringt.

Wenn die Vorstellung, man spreche zu sich selbst, nur ein bisschen stimmt, dann ist verlieben auch sich selbst eine Geschichte zu erzählen, in der man selbst zum Ritter geschlagen werden kann. Die Welt ist Dichtung. So sind auch die Gedanken eine Dichtung meiner selbst über mich selbst und für mich selbst. Wenn ich sage, ich vermisse C., dann müsste ich korrekterweise sagen, ich bin zu aufgeregt und gespannt, um die Fortsetzung meiner eigenen Geschichte noch abzuwarten. Es ist wie ein gutes Buch. Denn legt man es einmal weg, dann verblasst die Aktualität und die Intensität des Lesegenusses. Natürlich muss man zwischendurch unterbrechen, um sich mal dem Essen zu widmen. Die besonders Fleißigen werden vermutlich lernen oder sogar arbeiten. Doch wer sich ganz dem hingibt, der füllt sein Leben mit Bedeutung, der bejaht das Leben als seines, welches sich nicht bloß über weltliche Tätigkeiten und die Erhaltung des Körpers definiert, sondern ist leibhaftig Teil eines großen Ganzen und spürt die gesamte Historie der Liebenden und Leidenden, der Dichter und Denker, der Künstler und Musiker vor ihm. Und in diesem Sinne gebe ich mich hin, ich gebe mich soweit hin, dass mir auch der Schlaf geraubt wird.

*Aus praktischen Gründen nicht gegendert. Es macht leider doch einen erheblichen Unterschied für den Gedankenfluss und die Leichtigkeit des Schreibens aus, das doch lieber aller Politik entsagen möchte, welche Bedeutung moralisch auflädt. Denn Bedeutung ist nicht moralisch, sie ist Setzung des Einzelnen.


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