Rezension & Kritik zu Kendrick Lamars „Mr. Morale & The Big Steppers“ #1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Das langersehnte Album von Kendrick ist nun endlich am 13. Mai 2022 released worden und so kam gleichzeitig die Idee, immer mal auszugsweise einige Kommentare fragmentarisch dazu abzugeben. Ich hoffe, ich schaffe noch einige Parts.

Aber gut. Beginnen wir im ersten Teil mit bisschen Vorgeplänkel. Es gibt nur wenige Künstler:innen, die meine Aufmerksamkeit länger erregen und eine so andere Lebenswelt haben als ich (auch wenn man bedenkt, dass wir beide in westlichen Industrienationen leben, sind die Umstände wohl grundverschieden), dass ich das Gefühl habe, dass trotz aller Verschiedenheit eine innige Verbundenheit in der Musik zu finden ist.

Ich befürchte, dass dies auch dazu führt, dass ein grundsätzliches Bias vorzufinden ist, der die Kritik positiv beeinflussen könnte. Schon allein das Album „DAMN“, welches ich viel zu spät für mich entdeckt hatte (vier Jahre nach seinem Release, obwohl Jonas mir schon zum damaligen Release die Großartigkeit vorankündigte), erhielt großartige Kritiken. Das Album hatte auch die Ehre als das erste Werk in die Geschichte einzugehen, welches den Pulitzer-Preis für Musik erhielt, was insofern eine Besonderheit darstellt, dass es tatsächlich ein „weltliches“ Album in die sonst von Klassik und Jazz durchfiltrierten Szene geschafft hat, die historisch-bedingten Expert:innen zu überzeugen. Schon allein darin zeigt sich eine Größe, die jedoch vom Werk selbst abstrahiert werden muss. Das heißt nicht, dass die Persönlichkeit Kendrick Lamar selbst weggedacht werden sollte, denn seine eigenen Lebensumstände und Depressionen spielen sehr wohl in seine Musik hinein, jedoch nicht die Person Kendrick Lamar als Phänomen der Musikkritiker:innen.

Ich habe daher noch keine Rezension gelesen und mich nur sehr oberflächlich mit einigen Leuten unterhalten (wobei da nicht mehr als einige undifferenzierte Ausdrücke wie „neuartig“, „krass“, „nice“ zu hören sind). Ich versuche mich nun also im erstmaligen, aufmerksamen Hören mit der Intention eine Kritik zu verfassen und eine hoffentlich sinnige Interpretation des Albums als Werk zu ersinnen.

Erster Eindruck zum Titel und Aufbau des Albums

Der Name „Mr. Morale & The Big Steppers“ und die Zweiteilung des Album deutet schon an, dass eine gewisse Dichotomie vorliegt zwischen einer ethischen Position – Mr. Morale deutet einen Moralisten an – und einer kompromisslos hedonistischen Position – The Big Steppers, also die großen Schrittemacher, scheint sich auf die ehrgeizigen Kräfte der kapitalistischen Leistungsgesellschaft zu beziehen.
Auch die Titel deuten bereits die Themen zwischen Humanismus und egoistisches Hervorschreiten an. Zu ersterem würde ich intuitiv United in Grief (bereits Martin Heidegger hatte in seiner Seins-Philosophie die Sorge – in diesem Fall Grief / Kummer – als Kernmerkmal des Daseins hervorgehoben), We Cry Together, Savior und Mr. Morale zählen, während zu letzterem Thema die Titel Worldwide Steppers, Die Hard und Rich Spirit (ob dieser Track das „richtige“ Mindset thematisiert?) passen. Da natürlich eine schnöde Einteilung zwischen Gut und Böse etwas allzu plakativ wäre, könnte ich mir vorstellen, dass Kendrick hier weitergeht und diese Zweiteilung zwar andeutet, aber in den Titel weitaus mehr thematisiert. Diese Reduktion auf zwei Hauptthemen ähnelt dem Steppenwolf von Hermann Hesse, der ebenfalls zwischen Wolf und Mensch unterscheidet, aber sich bewusst ist, dass die eigene Unterteilung viel mannigfaltiger ist. Die Vereinfachung diente Hesse nur als Verdeutlichung oder Übertreibung, als ob es so einfach wäre, da es erstmal einfacher zu verstehen ist, nur zwei Positionen gegenüberzustellen, um davon ausgehend das Spektrum um weitere Dimensionen zu erweitern (beispielsweise deuten Father Time und Mother I Sober an, dass Familie sich nicht in moralisch und unmoralisch einteilen lässt, sondern eine eigene Setzung des Verhältnisses zu den Eltern).


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