Ein Selbstgespräch #7

Lesedauer: ca. 20 Minuten

Unser letztes Gespräch war schon wieder eine Weile her. Ich möchte diesmal mit einem wunderbaren Song einsteigen, den ich vor 10 Minuten gefunden habe. Manchmal hört man einen Song und er spricht einen direkt so an. Es liegt nicht daran, dass dieser Song unglaublich phänomenal oder besonders ist. Es liegt aber daran, dass er in genau dem richtigen Moment unter den Umständen, die sich gerade ergeben, zu einem tritt. Ich habe ihn gehört, ich habe eine halbe Stunde lang auf TikTok irgendwelche Sachen rumgescrollt, es kam das Cover und ich konnte nicht anders als mir den Song mehrmals anzuhören, alles wegzulegen und ihm meine ganze Aufmerksamkeit zu widmen. Und nun, 10 Minuten danach, hat er mich dazu gebracht, mit Ihnen wieder Kontakt aufzunehmen.

Der Song ist übrigens “It Might Have To Be You” von Vulfmon & Evangéline. Vulfmon ist übrigens Jack Stratton, der Gründer von der Band Vulfpeck, falls Ihnen diese Band eher etwas sagt. Der Song – einfach hmm (so lecker hmmmm). Groovy, sehnsüchtig, verständnisvoll und gleichzeitig leicht kindisch-romantisch. Ich sage Ihnen später auch noch die Verbindungen zu diesem Song. Es sind so ganz subtile Ereignisse, die vor kurzem passiert sind.

Ich habe mich Anfang des Jahres verliebt. Oder ich weiß gar nicht, ob man das verliebt bezeichnen sollte (aber ganz offensichtlich tue ich in letzter Zeit Dinge, die Menschen nur tun, wenn sie etwas innerlich sehr doll aufwühlt). Und diese Frau hat etwas gemein mit vielen Frauen, in die ich mich sehr schnell verliebe: Sie strahlt eine Aura aus, die keinen Hass enthält. Ich erkenne Hass sehr schnell. Ich habe mit linken Menschen Zeit verbracht, mit rechten Menschen, mit armen Menschen, mit reichen Menschen. Ich habe so viel Zeit mit Menschen verbracht, dass ich direkt erkenne, wenn es einen Hass gibt, der sie innerlich antreibt. Nun ja, vielleicht sollte ich eher einen “äußeren Hass” sagen, dass diese Menschen irgendetwas auf dieser Welt so schlimm hassen, dass sie sich verweigern möchten, zuzuhören.

Das ist heutzutage sehr normal, es gibt Menschen, die hören einzelne Wörter und sie haben direkt eine Meinung dazu und sehen ihren Moment darin, sich zu empören. Bei den Linken sind das die AfD, Nazis, eine veraltete Rhetorik, das Patriarchat, die Großkonzerne und so weiter. Bei den Rechten sind es Ricarda Lang, die Grünen, FridaysForFuture, Genderpolitik und so weiter. Die Armen hassen die Reichen und geben ihnen die Schuld an ihrer Misere und dass sie chancenlos seien (was nicht immer stimmt!) und die Reichen beklagen sich über die Armen, die sich nicht aufraffen und stattdessen eher Sozialleistungen vom Staat nehmen und trotzdem über den Staat klagen. Überall ist dieser Hass in der Gesellschaft verbreitet und Hass entsteht aus Unwissenheit und Unverständnis. Etwas nicht akzeptieren zu wollen.

Sigmund Freud hatte damals eine Theorie zur Entwicklung des Kindes entwickelt. Er unterschied zwischen primären und sekundären Narzissmus. Der primäre Narzissmus entwickelt sich dabei ganz natürlich als kleines Kind. Kinder müssen selbstsüchtig und selbstbezogen sein, weil sie die Aufmerksamkeit ihrer Eltern brauchen. Das ist ein ganz normaler evolutionärer Vorgang. Und in der heutigen Wohlstandsgesellschaft bekommen sehr viele Kinder auch relativ wenig Probleme, ihnen wird der Hof gemacht. Wir leben mittlerweile in einer Zeit, in der jeder und jede als Prinz und Prinzessin aufwachsen darf (zumindest in der westlichen Gesellschaft). Wenn das Kind aber irgendwann mal außerhalb der Familie unterwegs ist und merkt, dass eigentlich fast alle anderen es ignorieren und ihm nicht ergeben sind, beginnt es eine Frustration auszubilden. Das Kind muss dann lernen, damit umzugehen, dass die anderen Menschen eigene Meinungen, Wünsche und Träume haben. Wenn dies jedoch nicht ausreichend entwickelt wird, dann beginnen wir die Umwelt nicht als andere Menschen anzuerkennen. Stattdessen reden wir mit anderen Menschen, als wären sie Objekte. In der modernen Jugendsprache würde man NPCs sagen. Das finde ich insofern bemerkenswert, da die Sprache bereits das Problem korrekt beschreibt, wir tun so, als wären andere Menschen “nicht-spielbare Charaktere”, als ob sie eigentlich bloße Roboter wären. Vielleicht liegt es an Corona, dass die soziale Kompetenz dermaßen darunter gelitten hat. Doch wenn man bemerkt, dass andere Menschen sehr wohl ein eigenes Innenleben haben, dann darf man sie gar nicht hassen können. Dann spürt man (zumindest ist das meine Erfahrung) instinktiv, dass sie zu Reflexivität fähig sind.

Im Osten ist das sehr stark spürbar. Die Wessis haben uns das so ein bisschen eingebrockt, wenn sie die Menschen, die hier leben, als Ossis bezeichnen, aber damit nicht Menschen meinen, sondern bloß “die, die auch Steuern zahlen und kommunistisch geprägt sind”. So als wären wir hier im Osten bloß ein Spielball, bloß ein “anderes Volk”, welches man nur besser steuern müsste. Und leider fällt den meisten hier im Osten auch nicht ein, wie sie sich dagegen wehren können (meiner Ansicht nach ist das beste Mittel eine ironisch-freundliche Haltung, doch dafür muss man sehr feinfühlig und emotional intelligent sein, das ist jedoch nicht so stark ausgeprägt bei unserem agrarischen Arbeitervolk – ich sage es etwas überspitzt). Wissen Sie, ich wundere mich, dass ich in meinem Leben wirklich von größerem Übel verschont geblieben bin. Dabei könnte ich in meinem Umfeld eigentlich eine Menge schlimmer Dinge erleben. Ein alter Freund, er hatte damals mit einer Menge Drogen in Berlin gehandelt und dort schon Schlimmes erlebt, sagte mir mal, dass er mich ansieht und direkt weiß, dass ich keine Aggressivität ausstrahle. Das ist wohl der Hauptgrund, warum es mich immer wieder verschont, selbst wenn Leute Streit suchen, wollen sie sich gar nicht mit mir streiten, weil ich dann sehr lieb frage: “Was ist los?” und wenn sie dann etwas Dummes tun, dann haben sie keinen sinnvollen Grund und lassen es direkt bleiben. Vielleicht hatte ich bislang aber auch einfach Glück. Meine migrantischen Kollegen erzählen aber etwas anderes und das wundert mich persönlich. Es macht mich traurig, aber gleichzeitig kann ich es nicht wirklich nachvollziehen, weil es mir einfach nicht widerfährt.

Nun denn, Menschen, die Hass ausstrahlen, die objektivieren andere Menschen. Sie behandeln sie wie Dinge, die “nicht richtig funktionieren”. Aber so funktioniert die menschliche Psyche nicht, manche Menschen können sich bloß nicht vorstellen, dass gewisse Mechanismen für eine besondere Anpassung an die Umwelt sorgen. Doch so ist nun mal die Welt, wenn zu viel Frust da ist, dann wird irgendetwas Dummes getan, um diesen Frust auszugleichen – im Zweifel wird eben zu viel gesoffen. Da hat uns Mutter Natur komische Werkzeuge an die Hand gegeben, um damit umzugehen. Die beste Medizin wäre vermutlich, dass man einfach eine Stunde dasitzt und an die Wand schaut – aber das bringt uns ja niemand bei. Zumindest wenn man nicht in einem Kloster aufgewachsen ist.

Und wissen Sie, ich spüre das sehr genau, wenn Frauen diese Art von Hasslosigkeit ausstrahlen. Das können Sie an den Blicken sehen. Wenn sie andere Menschen anschauen, dann schauen sie nicht auf die Menschen wie auf ihr Smartphone. Sie sehen die Menschen “mit anderen Augen”. Sie blicken leicht aufmerksam, vielleicht etwas ernster, aber vor allem noch wie neugierige (oder traurige) Kinder. Ich glaube, es ist auch kein Zufall, dass es überproportional häufig Frauen mit depressiven Neigungen sind. Sie leiten den Hass der Welt auf sich selbst.

(ich spreche an dieser Stelle übrigens über Frauen, weil es mir bei ihnen einfach leichter auffällt; bei Männern gibt es diese Neigung natürlich auch, doch ist sie deutlich seltener ausgeprägt, da Männern oft nicht gut beigebracht wird, wie man mit seinem Testosteron-Haushalt und der Regulierung seiner Aggressionen umgehen soll; bei Frauen ist das eher weniger ausgeprägt und man muss auch sagen, dass Frauen statistisch gesehen “more agreeable” sind, es gibt statistisch gesehen weniger Ausreißerinnen, sowohl nach oben als auch nach unten)

(ich war kurz eine Kippe rauchen und habe das Lied auf dem Klavier bisschen nachgespielt, es hat eine soooooo unglaublich schöne und auch ungewöhnliche Akkordfolge)

Nun ja, wo war ich gewesen? Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich manchmal so wechsellaunisch bin. Vor allem wenn man so ein bisschen traurig verliebt ist. Also die Frau, ich merkte ihr direkt an, dass sie eine wunderbar traurig-schöne Ausstrahlung hat. Auch unsere Interaktion fühlte sich so unfassbar vertraut an (und das liegt vermutlich auch daran, dass sie einfach absolut mein Type ist). Sie erinnerte mich vielleicht auch ein wenig an meine beiden Ex-Freundinnen, die beide jeweils ein bisschen geskatet haben und auch künstlerisch aktiv waren. Ist es so, dass sich das bloß immer nur wiederholt? Dass man ständig eigentlich nur die gleiche Person sucht, nur in verschiedenen Formen verkörpert? Es kann eigentlich kein Zufall sein, dass ich mir denke “oh, sie zieht mich so an, ich kann nicht widerstehen, sie anzusprechen” und dann stellt sich auch noch heraus, dass sie interessenmäßig einige Überschneidungen mit meinen Ex-Geliebten hat? Und das macht es natürlich auch nochmal etwas komplizierter.

Ich habe gestern auch einen kleinen Brief verfasst, es ist eigentlich ein Gedicht mit einer Zeichnung, die von Chat-GPT inspiriert ist. Das Gedicht ist total absurd, wenn es Sie interessiert, fragen Sie mich gerne. Es heißt “Im Irrenhaus”. Ich sehe sie vielleicht am Montag und dann gebe ich ihr die kleine Postkarte. Aber eigentlich sollte ich mich zurückhalten, da sie ja doch mit ihrer Prüfungsphase beschäftigt ist. – Das ist wieder so ein merkwürdiger Zufall, die letzte Frau, bei der ich diese Art Hasslosigkeit gespürt hatte, war auch in ihrer Prüfungsphase. Und da sie mir einen Korb gab, muss ich vielleicht davon ausgehen, dass es diesmal genauso ist. Aber ich kann es ja nicht anders als es probieren. Wenn sie mir das Herz bricht, dann habe ich mir das ganz und gar selbst zuzuschreiben.

In dem Lied “It Might Have To Be You” wird diese Problematik alles genauso beschrieben. Und dazu auch noch dieser fröhlich-traurige Groove, der mit meiner Lebenshaltung resoniert. Das ist musikalisch vielleicht nicht so einfach zu verstehen, aber ich liebe es, grundsätzlich positive Dur-Maj7-Akkorde zu nutzen und kombiniere diese sehr gerne mit negativen Harmonien (wenn Sie mal nach “Jacob Collier Negative Harmony” auf YouTube suchen, werden Sie sicherlich fündig). Beispielsweise benutze ich gerne die Verbindung Fm6-Cmaj7 oder Cmaj7-Gm7. Auf meinem Instagram-Kanal finden sich einige Beispiele in den Highlights.

So, jetzt aber zu den Lyrics: It Might Have To Be You. – Es ist so merkwürdig, dass ich so eine Menge über Frauen schreibe, obwohl ich in meinem ganzen Leben noch nicht mal ein halbes Jahr in einer Beziehung war (dafür in mind. zwei Dutzend Dating-Phasen). Aber ich sehe das mittlerweile als Teil meiner Persönlichkeit, da ich mich doch immer als sehr unabhängigen und selbstständigen Menschen sehe. Da ist es sehr schwierig jemanden zu finden, der selbst ähnlich unabhängig ist und gleichzeitig trotzdem zu einer stabilen Bindung fähig ist. Vielleicht habe ich auch Commitment-Issues. Aber mir kommt es eher so vor, als bin ich einfach nur sehr wählerisch und dann sind das eben unabhängige Frauen, die dann ihre Unabhängigkeit für mich nicht aufgeben möchten (denn dafür muss eben sehr gute Gründe liefern, dass es sich für sie vielleicht doch lohnen könnte). Und da ich nicht ganz so einfach bin, verstehe ich das. Wobei seit meiner letzten Beziehung merke ich eigentlich doch, dass ich sehr einfach gestrickt sein kann. In der TikTok-Community würde man das als “Golden Retriever”-Type bezeichnen, ich bin eigentlich ständig fröhlich und aufgelegt wie ein Hund zu spielen und mir ein Frauchen zu suchen. Doch obwohl das auf TikTok einen Idealtypus entspricht, kommen viele Menschen überhaupt nicht mit meiner guten Laune klar. Die Leute (oder Frauen) glauben nur, dass das toll ist und wenn dann tatsächlich jemand da ist, der mit viel Energie die ganze Zeit etwas machen möchte, dann sind sie von dem Hund auf einmal total überfordert. Die Phrase It Might Have To Be You spiegelt die ständige Suche nach einer Partnerin wieder. Ach herrje. Aber vielleicht ist es auch sinnvoll, wenn ich schon auf so eine Langfristigkeit aus bin, dass ich mich erst jetzt entscheide – mein Gehirn sollte jetzt, da ich bald 25 werde, endlich ausgewachsen sein.

Die erste Strophe spiegelt dieses Verhalten wider. Wish I could call you a friend. Aber das geht nicht. Man ist schließlich verliebt – but I can’t pretend. Und stattdessen bleibt die Distanz da, weil sie sich nicht sicher ist (und auch noch so einen anderen Typen trifft – falls es der ist, den ich gesehen habe, dann macht es mich umso trauriger, weil er total langweilig aussieht – andererseits, vielleicht will sie auch lieber einen Langweiler haben; ich kenne eigentlich nicht viele Frauen, die so überbegeisterte Typen als Freund haben). Und da sie in ihrer Prüfungsphase ist, muss ich das irgendwie berücksichtigen, auch wenn es gerade voll nervt. Holding back feels like playing a game

Und gleichzeitig. Boah, ich laufe ständig Frauen über den Weg, mit denen ich so kurze intime Blicke teile. Das machen doch viele Leute nicht heutzutage, einfach jemandem direkt in die Augen schauen und diesen Kontakt halten. Vor allem nicht solche Frauen, bei denen ich doch direkt merke, dass sie eigentlich total schüchtern sind. Das kann ich mir irgendwie nicht so gut vorstellen, dass sie dann ausgerechnet mich, zwei Sekunden zu lange anstarren statt wegzuschauen. Das passiert mir immer mal wieder und ich bin dann so unfassbar neugierig, aber gleichzeitig hänge ich zu doll an meinem aktuellen Crush und das wäre ja nicht fair. Zur Weihnachtszeit hatte ich keinen Crush gehabt, ich hab ständig (angetrunken) mit irgendwelchen Frauen geflirtet und es hat auch eine Menge Spaß gemacht. Aber jetzt – wo ich das Gefühl habe, It Might Have To Be You – wäre das doch sehr unanständig, noch irgendwelche anderen Frauen anzusprechen. Meine erste Freundin, damals mit 19, hatte mir das auch vorgeworfen, dass ich anderen Frauen hinterher schaue. Und damals hatte ich nicht die Eier gehabt, ihr zu sagen, dass das stimmt, aber mit der Bemerkung, dass es halt aus Neugier ist, ich aber ein dummer, treuer Hund bin, der halt nicht die Eier hätte, fremd zu gehen. Weil das auch bescheuert wäre, wenn man eine schöne, tolle Freundin hat – oder halt eben einen Crush. Verstehen Sie, was ich meine?? 

Stattdessen bin ich einfach nur mega aufgewühlt, weil ich an einen Crush hänge, der gerade mit sich selbst beschäftigt ist. Und vielleicht (oder sogar vermutlich) läuft es darauf hinaus: To break my heart, call it off before it starts. Das ist nun wirklich unfair, aber da müssen wir durchgehen. Vielleicht habe ich in den letzten zwei Wochen Chancen vertan von anderen Might Have To Be You’s, nur damit mir in einem Monat das Herz gebrochen wird. Und das macht es eben umso schwerer: Wenn ich mehrgleisig fahren würde, dann ist das doch einfach unehrlich; mache ich es nicht, dann habe ich vielleicht eine Lebenschance verpasst. Liebe, in so jungen Jahren ist es nun mal oft eine Lose-Lose-Situation, wenn man Pech hat. Und die Chance, dass man Glück hat, liegt vielleicht so bei 20%. Vielleicht sogar niedriger. Ich kann es Ihnen nicht so genau sagen. Ich kann nur wissen, dass wenn man es oft genug probiert, dann wird ja trotzdem die geringe Chance irgendwann zur Wirklichkeit (und das ist dann vermutlich auch die letzte große Hoffnung). 

Wish I could fight it, you know I’ve tried it but it’s true. Auch diese Verse treffen irgendwie hart. Ich meine, mein Crush trifft bereits jemand anderen. Ich habe ihr ja auch eigentlich schon direkt gesagt, dass ich sie toll finde und sie ist sich einfach unsicher. Man kann natürlich “kämpfen”, aber eigentlich ist es kein Kampf, sondern letztlich muss man darauf vertrauen, dass die andere Person sich entscheidet. Der einzige Kampf, den man führt, ist dass man der anderen Person genügend Vertrauen vermitteln kann und dass sie einen auch so toll findet, dass sie dann sich für einen entscheidet (und da wären wir nun auch dabei, dass meine Generation ja auch commitment-Issues hat, vor allem bei Menschen, die selbst sehr treu sind; meine Ex-Freundin hat ja schrecklich viel mehr bei unserer Trennung geweint als ich, weil – so habe ich sie auch während der Beziehung eingeschätzt – sie mir einfach nicht weh tun wollte, da ich zeitweise der wichtigste Mensch in ihrem Leben war). Und das ist die Wahrheit, Lieben ist kein Kampf. Das ist kompletter Bullshit so etwas zu sagen. Lieben hat damit zu tun, dass man sich auf jemanden verlassen kann und dass die andere Person auch zu einem passt. Und wenn man nicht so viel Erfahrung hat (ich glaube, sie selbst hat eher weniger Erfahrung mit Typen), dann ist man da lieber vorsichtig. Meine Ex war da ja genauso (und ich fand es wirklich toll, dass sie sich ständig über irgendwelche unmanierlichen Typen beschwert hat, und sie war stattdessen mit mir in einer Beziehung). 

So jetzt habe ich komplett verwirrt ein paar Gedanken ausgekotzt. Buaargh (das nennt sich Lautmalerei oder auch Onomatopoesie). Ich weiß auch nicht so genau, was ich damit anfangen soll. Ich hatte schon wieder vergessen, wie das ist, wenn man sich “etwas mehr lebendig” fühlt als sonst. Vielleicht auch “etwas zu lebendig”. Ich war heute das erste Mal seit meiner Verletzung ein bisschen skaten, bei -1°C. Genau genommen bin ich einfach nur eine halbe Stunde zur Webergasse gepusht und bin dann noch drei Stationen mit der Bahn gefahren (weil das letzte Stück ultra kacke bepflastert und bergauf ist). Mein rechtes Knie hat danach geschmerzt, ich hab mich echt etwas entwöhnt. Aber es war einfach ein super geiles Gefühl. Ich habe es vermisst, auf der Straße zu fahren (auch wenn ich ganz genau weiß, dass das Autofahrer irritiert und sie mich dafür hassen). Und ich habe dabei das Album Love Sux (2022) von Avril Lavigne durchgehört. Es geht einfach nicht anders. Wenn man total doof verknallt ist, dann hat man so unnötig viel Energie, aber halt physisch – geistig bringe ich gerade nicht allzu viel zustande. Ich muss mich ja sogar selbst auf meine Bachelorarbeit konzentrieren – nicht bloß, dass sie Dinge zu tun hat, ich habe eigentlich auch Dinge zu erledigen (ich mache sie auch, nur vermutlich prokrastiniere ich dazwischen etwas mehr als sonst). Und jetzt ist es auch schon wieder 3 Uhr morgens und ich sitze hier auf meinem Bett und schreibe so sinnlose Gedanken nieder. Ich meine, eigentlich sollte ich gar nicht nachdenken. Irgendwas Sinnvolles tun.

Gut, und ich möchte nun noch etwas zu den anderen Frauen sagen. Und ich meine das nicht in dem Sinne, dass ich irgendwie meinem Crush untreu bin in dieser Hinsicht. Aber es ist doch einfach sehr einprägsam, wenn man so intime Momente hat. Bei mir zumindest. Ich habe ein sehr merkwürdig starkes episodisches Gedächtnis, was emotionale Momente betrifft. Ich kann mich bei fast allen Frauen, in die ich mich verknallt habe, an die erste Situation ziemlich genau erinnern. Ich vergesse sehr wenig, was emotionale Sachen betrifft. Ich muss es auch nicht, ich finde die Sachen auch super schön. Ist doch eigentlich was Gutes, wenn man sich an etwas zurückerinnert und Dankbarkeit und Lebendigkeit dabei empfindet, oder nicht? Social Media Inhalte vergesse ich da eher schnell. Aber okay, ich nenne die intimen Momente jetzt, weil ich sie schön finde, mit den Frauen habe ich gar nichts zu tun (ich hab es schließlich unterlassen, sie anzusprechen).

Das erste Ereignis war direkt einen Tag nachdem ich meinen Crush kennengelernt habe. Das war ja auch so merkwürdig, weil ich da mit meinem gewohnten aufmerksamen Blick durch die Bibliothek gehe. Und ich mache bewusst diesen aufmerksamen (aber aufmerksam mit eher kleinen Augen) Blick, weil ich gemerkt habe, dass die meisten Menschen total in ihrer Welt sind und das sowieso nicht checken, wenn man sie ein wenig beobachtet. Und wenn sie es beobachten, dann schauen sie einfach weg und vielleicht denken sie irgendwas, meistens vergessen sie einen aber direkt wieder (Spotlight-Effekt und so). Ich ging also die eine Treppe hoch und eine Dreiertruppe, zwei Frauen und ein Kerl standen da. Die eine Frau war einfach sehr clean gekleidet, eine schwarze Hose, die nach unten leicht aufging, Haare bis zu den Schulter und leicht gelockt und sie trug ein Oberteil, was eher an eine Jura-Studentin erinnert. Ihr Blick war ihren Freunden zugewandt und sehr freundlich und locker, doch als sie meinen Blick bemerkt hatte, ist ihr Blick auf einmal sehr klar geworden, als ob sie kurz das Gespräch bewusst verlassen hat. Es war als hat man sich innerhalb dieser zwei Sekunden kurz gegenseitig mitgeteilt, dass man sich sieht und die andere Erscheinung einen neugierig macht. Es war aber so schnell gewesen, dass ich es verpennt hatte, darauf zu reagieren. Als ich oben am Ende der Treppe war, hab ich nochmal zu ihr runtergeschaut und “wie ein Zufall” haben sich unsere Blicke wieder getroffen und da war ich mir recht sicher, dass sie mir bewusst mit ihrem Blick gefolgt ist. Schließlich war ihr Kopf nach hinten gerichtet, genauso wie es meiner war. Ich habe dann sogar ein kurzes Gespräch mit ChatGPT geführt, weil es mich irgendwie schon geärgert hat, dass ich vielleicht eine interessante Persönlichkeit verpasste. Andererseits, es war einen Tag nach dem Crush-Moment gewesen und ich spürte, dass die Anziehung hier eher intellektueller statt tiefer emotionaler Natur gewesen war.

Ein zweites Ereignis geschah vorgestern bei einem Leseabend. Ich traf kurz vorher auch auf meinen Crush und sie war da mit diesem einen Typen unterwegs. Boah, hat mich das aufgeregt. Die Sache ist halt dieser, dass es mir eigentlich egal ist, wenn sie mit wem anders unterwegs ist, solange ich den Typen ernsthaft interessant und korrekt finde. Ich glaube ja nicht an wahre Liebe und wie schon der obige Absatz zeigt, trifft man ja eigentlich doch immer wieder Menschen, mit denen man eine mystische Intimität schaffen kann. Aber der Typ wirkte auf mich einfach so normal – vielleicht ist es das auch, was ich an ihm beneide, dass er einfach normal ist. Ich bin ja an einigen Stellen schon mal darauf eingegangen, dass ich einfach komisch bin und mir wurde früher auch oft gesagt, wie toll das andere finden. Dass ich so einen ganz eigenen Weg gehe und auf viele andere Meinungen nicht viel Wert gebe, wenn ich sie für falsch halte und so weiter und so fort. Aber andererseits – meine Ex-Freundin war ja wirklich verhältnismäßig total normal – hat es meine Ex-Freundin (und vermutlich auch einige andere Frauen) überfordert, dass ich eben nicht normal bin. Und das ist ja zumindest das Positive: Sie hat die Entscheidung zwischen einem “normalen” Typen und halt mir (und da kann man irgendwelche Label draufpacken, aber eigentlich so gut wie jeder, der mich bisschen kennt, sagt, dass ich unvergleichbar bin). Wenn sie sich für ihn entscheidet, dann habe ich mich vielleicht doch getäuscht – davon sollte man auch ausgehen können. Dann bricht sie mir aber auch nicht das Herz, sondern dann sollte ich einfach nur mein Radar nachschärfen. Sie würde mir nur mein Herz brechen, wenn sie sich jemanden aussuchen würde, den ich auch toll finden würde. Aber dann wäre ich ihr auch nicht böse, sondern würde mich für sie freuen. Ich freue mich auch für sie, wenn sie sich für den normalen Dude entscheidet. Aber dann vermutlich auch eher so distanziert, weil sich dann halt zwei gefunden haben, mit denen ich wohl doch eher nichts enger zu tun haben möchte. Oh, man. Ich bin wieder total abgeschwiffen. 

Also, an dem Leseabend war dann so eine süße Studentin. Es war eigentlich ein Read & Draw und die meisten haben tatsächlich gezeichnet (ich habe sogar auch gezeichnet) oder an Texten geschrieben. Sie saß aber eigentlich nur da und hat gelesen. Und eben den Texten zugehört, die vorgetragen wurden. Das besondere war nun, wie sie zugehört hat. Viele haben ja nebenbei nur zugehört und währenddessen gezeichnet, aber die Art und Weise, wie sie zugehört hat, war so aufmerksam und bemerkenswert, dass mir das aufgefallen ist. Es kam mir auch so vor, als kannte ich sie von irgendwoher. Mir ist gerade nix besseres eingefallen, aber sie erinnerte mich von ihrer Art an das erste Mädchen mit der ich meinen ersten schönen Kuss hatte, so eine Lesemaus, mit der ich mit 15 in Klein-Venedig geknutscht hatte (sie trug damals so einen fruchtigen Lipgloss und es hat irgendwie voll toll geschmeckt). Und als ich vorgelesen hatte, konnte ich irgendwie nicht anders als ihre Blicke immer wieder zu erwidern. Das ist schon manchmal etwas merkwürdig, aber auch hier habe ich es schließlich unterlassen, mit ihr zu sprechen. Ich habe stattdessen – das ist auch ein lustiger Zufall – mit einer Gruppe gesprochen, die nur aus Nicht-Studenten bestand. Ich habe unbewusst schon die richtigen Menschen angesprochen.

Und das dritte Ereignis war gestern beim Tischtennisspielen im Kalif. Es war vor allem so einprägsam, da ich direkt erkannte, an wen sie mich erinnerte: Nämlich an meine erste, ehrliche Liebe vor drei Jahren. Sie sah schon etwas anders aus, aber von der Größe her war sie ähnlich, sie ging wie sie, sie hatte eine ähnliche Statur und sie tanzte auch wie sie. Und schließlich hatte sie auch einen ähnlichen Blick wie sie. Das ist insofern bemerkenswert, da ich damals 21 und sie damals 24 war und mittlerweile bin ich ja selbst 24. Es war auch anders noch bemerkenswert, da sie sich immer wieder in mein Blickfeld gestellt hat und unsere Blicke sich immer wieder getroffen haben und ihr Blick dabei auch diese scheue Rehkitz-Augen von meiner ersten Liebe hatten. Irgendwelche Dudes sprachen sie an und sie wirkte dort auch so souverän wie ich es kenne, halt irgendein ausgelutschter Flirt, den man schon hunderte Male hatte. Ich kenne das von mir selbst ja auch, wenn man jemanden hat, den man wirklich sehr interessant findet, dann hat man gar nicht das Selbstbewusstsein, so vorzugehen. Bei Menschen, die einen mit bekannten Sprüchen und Themen zulabern, weiß man ja so in etwa, wie man sprechen muss und diese Haltung hat sie perfekt verkörpert. Es hatte mir ein klein wenig Angst gemacht, und es hatte mir auch etwas Angst gemacht, dass sie sich so offensichtlich vor mich hingestellt hatte (das Ding war bloß, ich war so gut beim Chinesisch-Tischtennis-Spielen, dass ich immer mind. 10 Minuten in einer Runde war und sie flog relativ schnell raus und wurde dann immer von irgendeinem Dude angesprochen). Ich wusste aber auch nicht so genau, ob das eine gute Idee gewesen wäre, sie anzusprechen. Mein Beweggrund war ja bloß meine Neugier. Und wäre es nicht irgendwie sehr merkwürdig, jemanden anzusprechen mit “Ich würde gerne ein bisschen mit dir sprechen. Ich bin neugierig. Du erinnerst mich an meine erste, große Liebe.” Ich habe sehr viel projiziert am gestrigen Abend. Ich habe mir ständig vorgestellt, wie es ihr in München so gehen würde und ob sie ähnlich wie die Frau im Kalif mit solchen Typen umgeht und ihren Spaß dabei hat, obwohl sie sich vermutlich trotzdem ein wenig allein fühlt. Menschen teilen das über ihren Blick mit, wie allein sie sind, wenn man dafür offen ist und es nicht verurteilt. Egal, ich habe meinen Crush. Ist das jetzt meine Ausrede für alles? Vielleicht nicht eine Ausrede. Aber es ist mir offensichtlich wichtig genug, dass ich erst nochmal mit ihr darüber sprechen möchte.

Ich glaube, ich habe mich aber eigentlich schon festgelegt. Vielleicht ist das noch eine Angewohnheit aus meiner Single-Zeit, dass man so viele Menschen wie möglich kennenlernen möchte. Vielleicht ist das auch so eine Art “People-Pleaser”-Mentalität, dass man, wenn andere einen Intimität anbieten, sie gerne erwidern möchte, damit sich andere weniger alleine fühlen. Viele Menschen haben heute das Gefühl von Einsamkeit. Ich kenne dieses Gefühl ausgesprochen gut und würde gerne die negative Seite davon für sie lindern. Das funktioniert gut durch ehrliche Gespräche, in denen man sich als Menschen begegnet. Ich hätte nur gerne die Sicherheit, dass es meinem Crush auch ein wenig so geht. Zumindest hat sie mir ja schon subtil einige Hinweise auf ihren allgemeinen Gemütszustand gegeben, das machen auch nicht so viele Menschen. Ich würde so gerne Zeit mit ihr verbringen, und zugleich geht es nicht. But It Might Have To Be You.

SOOO. Das war ein seeeehr langer Monolog. Ich habe ja auch drei Wochen schon nicht mehr ein Selbstgespräch geführt. Ich glaube, ich wollte mir nur versichern, dass ich das “richtige” tue, auch wenn es schwer ist. Bei einem Crush zu bleiben, in der Gefahr, dass es dann wieder ins Leere läuft. Aber wie Rilke schon meinte (so in etwa): Lieben ist schwer, und weil es schwer ist, ist es für uns wichtig.


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