Ein Selbstgespräch #6

Lesedauer: ca. 10 Minuten

Es ist wieder ein bisschen Zeit, um Gedanken zu sammeln und zu reflektieren. Ich weiß nicht, ob es merkwürdig klingt, aber ich habe in den letzten zwei Wochen mehr Gedanken aufgeschrieben, als es sonst üblich ist. Ist das nicht manchmal ein bisschen zu viel? Sollte ein normaler Mensch nicht eher ab und an dazu kommen, dieses oder jenes aufzuschreiben? Vor allem wenn es bloß ein Zeitvertreib ist. Nun ja, wie sie sich vielleicht denken können, bin ich kein normaler Mensch. Und normal bedeutet ja bloß, wenn wir uns alle Eigenschaften des Menschen in einer Matrix vorstellen, dann können wir einen Durchschnitt bilden und alles, was innerhalb der Standardabweichung ist, oder sagen wir mal innerhalb der doppelten Standardabweichung, das ist “normal”. Daher rührt ja auch der Name “Normalverteilung”.

Mir war schon recht früh bewusst, dass ich immer außerhalb dieser Standardabweichung lag. Und es fällt mir manchmal schwer, darüber zu reden, weil es gleichzeitig bedeutet, dass man behauptet, man sei etwas Besonderes. Es geht aber nicht darum, dass man seine Besonderheit darstellt, sondern nach dem Verbindenden statt dem Trennenden sucht. Wir sind schließlich Menschen und wir sind alle in dieses magische Gefüge eingebunden, welches wir “Leben” nennen. Ich könnte jeden Tag schreiben. Ich hatte bloß eine Woche Pause, weil ich jeden Tag betrunken war. Aber in meinem Kopf ist es selten still und vermutlich gibt es trotzdem Zeiten, in denen mein Kopf leerer ist als die der meisten – eben Meditation. Ich bin der Überzeugung, dass das hauptsächliche Denken durch den Präfrontalkortex gesteuert wird. Wir können mit etwas Übung diesen Präfrontalkortex bewusst an- und wieder ausschalten. Ich glaube, den meisten Menschen ist dies gar nicht bewusst, aber wenn man sich darauf konzentriert, nicht sein Denken zu steuern, sondern ganz in der Gegenwart zu sein, dann ist die Übung geglückt.

Ich möchte also festhalten, dass es mir nicht darum geht, irgendeine Besonderheit hervorzuheben. Mir wurde immer wieder eingeredet, dass ich ein schlechter Mensch sei oder irgendwas. Aber das ist, so arrogant es nun mal klingen mag, eigentlich eine Schwäche der anderen. Es ist insofern Schwäche, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass ich eine eigene Sicht habe, die von Logik und einer stark individualistischen Ethik geprägt ist. Das Leben ist nun mal leichter, wenn es in der eigenen Weltsicht keine Störfaktoren gibt. In der Matrix der Standardverteilung bin ich aber ein Störfaktor. Dessen bin ich mir sehr bewusst und ich gebe mir die allergrößte Mühe, so dumm dazustehen, wie es geht. Ich habe ja gar kein Interesse daran, die anderen zu stören, aber ich mache es anscheinend schon mit meiner bloßen Präsenz. Ich mache nicht die gleichen Fehler wie andere Menschen und sie werfen es mir als einen Makel vor. Und ich möchte mich hierbei nicht in eine Opferrolle drängen, sondern es als ein nüchternes Urteil auffassen. Der akademische Ausdruck dafür wäre Ressentiment, der polemische Ausdruck die Sklavenmoral (so hat dies Nietzsche in seiner Genealogie der Moral bezeichnet, denn wenn jemand urteilt, dann schwingt darin auch immer eine individuelle Ethik mit).

Ich habe mich auch immer davor gedrückt, einen Beweis zu haben, dass ich anders sei. Ich wusste es schon auch so und es ist mir vollkommen egal, wenn mir dann auch noch bescheinigt wird, dass ich kein Teil der Normgesellschaften bin. Egal, wo ich mich rumtrieb – ich habe mich sehr viel rumgetrieben – es gab keinen Ort anzukommen. Eine Bekannte sagte letztens, dass ich mich mehr mit Gleichgesinnten treffen solle, mehr mit Menschen in Kontakt kommen solle, die die gleichen Vorstellungen und Fähigkeiten wie ich habe. Nun ist es so, dass es mir eigentlich vollkommen egal ist, welche Vorstellungen die anderen haben, denn was ist davon der Mehrwert? Ich komme schließlich gut mit mir selbst zurecht. Und andererseits würde ich dann ja den “einfachen” Menschen absprechen, dass sie mir nicht gut genug sind. Und das ist doch eigentlich die größere Arroganz.

Aber ich erzähle Ihnen kurz von einem Beweis. Das Heureka-Panel von der TU Braunschweig hat eine langjährige Studie zu irgendwelchen persönlichen Einstellungen durchgeführt. Sie haben dabei auch immer einen Intelligenz-Test dazu durchgeführt. Warum, weiß ich gar nicht mehr, aber ich habe jedes halbe Jahr mal das ausgefüllt. Schließlich dient es der Wissenschaft. Und das Problem an solchen Intelligenztests ist, dass diese eben von einer Normalverteilung ausgehen und daher vor allem nur Ergebnisse im Normalbereich abdecken können. Zudem bezweifle ich, dass IQ-Tests vor allem von Menschen erstellt werden, die deutlich von der Masse abweichen. Ich mache Ihnen ein Beispiel aus der Schachwelt: Magnus Carlsen ist seit über 11 Jahren die Nummer 1 in der Rating-Rangliste mit etwas mehr als 2800 ELO. Wenn er wollte, er könnte sich ohne Probleme Spielern anpassen, die vielleicht 1500 ELO haben (wenn ich mich recht entsinne ist das der Durchschnitt, und die doppelte Standardabweichung wäre dann zwischen 1050 bis 1950 ELO etwa). Er könnte, wenn er genug mit solchen Spielern spielt, beurteilen, welche Fähigkeiten diese haben und welche ihnen fehlen. Sagen wir, ein Spieler mit etwa 2150 ELO (das ist etwa meine aktuelle Zahl) würde dann einen Test erstellen. Wie könnte er dann in so einer Skala die Fähigkeiten von Magnus Carlsen bewerten? Er kann es gar nicht, da es seine eigenen Fähigkeiten bei weitem übersteigt. Und das ist meine Hypothese: Die Menschen, die Intelligenztests erstellen, haben ja gar keine Ahnung davon, was denn wirkliche Intelligenz ist, denn nur die intelligentesten Menschen können das beurteilen. Und das ist die nächste Hypothese: Die halten Intelligenztests für Bullshit, weil man damit nur Menschen in Kategorien einteilt, um diese in irgendwelche leicht verständlicheren Kategorien zu pressen, die sich der komplexen Vielfalt des Menschen entziehen. Aber gut, ich sage ihnen das bloß, weil mein Ergebnis immer so zwischen 142-145 lag unabhängig davon, ob ich nüchtern war oder bekifft. Es war damals Corona-Zeit und ich habe eine leichte Substanzabhängigkeit entwickelt, daher fand ich es sogar außerordentlich spannend, die ersten beiden Studien nüchtern zu absolvieren und die zwei danach einfach komplett bekifft (es lag immer ein halbes Jahr dazwischen). Und das bestätigt auch meine These: Diese Tests sind für Leute außerhalb der Norm komplett unbrauchbar. Also vergewissern sie sich, die Standardabweichung bei IQ-Tests liegt bei 15, das heißt etwa 68% aller Menschen haben einen IQ zwischen 85 bis 115, etwa 95% aller Menschen einen IQ zwischen 70 bis 130 und überhaupt das dreifache der Standardabweichung zu erreichen, muss man unter den 0,3% der Besten oder Schlechtesten sein. Dafür sind Intelligenztests nicht ausgelegt und deswegen hat das Ergebnis für mich auch keine Bedeutung. Es hat mir eigentlich nur etwas gezeigt, was ich ohnehin schon wusste.

Nachdem ich eine etwas chaotische und schwierige Schulzeit hatte, habe ich Anfang der 20er Jahre viel mehr bemüht, so wenig wie möglich aufzufallen. Dass mir das gelang, habe ich im letzten Post etwas ausgeführt, ich schaffte es die Konfrontationen mit meiner Umwelt auf ein Minimum zu reduzieren. Allerdings gibt es natürlich so einige Tücken, weil man kann sich natürlich dumm stellen, doch so wirklich-wirklich ist es nicht möglich, sein ganzes Sein zu verbergen. Man muss sich nicht kleiner machen, als man ist. Aber man sollte den anderen auch nicht veräppeln. Ich glaube, ich schaffe das meistens, in dem ich einfach nichts sage und Löcher in die Luft starre. Und vielen “normalen” Menschen wird nicht zugehört, daher ist es auch nicht schlimm, wenn ich ihnen ein wenig Anerkennung widme. Schließlich sind das auch die Menschen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten und ihre große Stärke besteht eben auch darin, dass sie problemlos routinemäßige, sich-wiederholende Aufgaben erledigen, die ich für unglaublich langweilig halte. Ich lerne immer noch, die Geduld dafür aufzubringen. Meine Ex-Freundin war ja relativ normal und hatte keine akademische Erfahrungen. Sie hat glaube ich nie so richtig verstanden, dass ich ihre geduldige Art so wertschätzte. Und vielleicht hätte ich ihr ab und an das nochmal deutlicher machen müssen. Es ist schließlich auch komisch, wenn man “normal” als ein Kompliment gibt. Das kann man aber vielleicht auch nur verstehen, wenn man nie ein normales Leben führen durfte.

Das schöne an normalen Menschen ist, dass sie besonders gut erkennen können, warum unnormale Menschen Störfaktoren sind. Ich konnte selbst ja gar nicht wissen, warum ich ein Störfaktor für das gesellschaftliche Leben war, weil aus meiner individuellen Perspektive alles normal war. Und so habe ich mir das früher oft zu Herzen genommen, was mir vorgeworfen wurde. Häufig hatten sie auch einfach recht gehabt. Ich bin schon etwas arrogant, besserwisserisch, ungeduldig und was weiß ich. Und das ist etwas, wo die Ossis den Besserwessis unrecht tun: Auch wenn die Wessis besonders kritikunfähig sind, sie haben ja doch ab und an recht. Das Gute war letztlich, irgendwann lag ich doch falsch. Viel zu oft. Und wenn man dann dickköpfig ist und trotzdem versucht, seinen Willen zu bekommen, dann zeugt das ja eher von emotionaler Unreife. Das fand ich dann fair, dass ich von Frauen oft wegen meiner emotionalen Unreife abgewiesen wurde. Ich habe irgendwann in der Oberstufe akzeptiert, dass ich, auch wenn ich den anderen ein klein wenig voraus bin, trotzdem noch ständig dumme Dinge tue. Und ich glaube, das hat mich wirklich doll gefreut, dass ich eben in diesem Sinne, in diesem ganz menschlichen Sinne, ja doch ganz normal bin.

Nachdem ich also anfing ein Leben, ohne groß aufzufallen stellte sich übrigens noch eine andere Eigenart ein. Wer nicht viel sagt, der wirkt natürlich auch immer ein bisschen mysteriös. Und Menschen lieben Rätsel. Ich weiß nur, dass ich ein Rätsel bin, welches sie lieber nicht anrühren sollten. Bzw. 99,7% der Menschen sollten es nicht anrühren. Und diese Distanz macht aber irgendwie auch sehr Spaß, aber es macht es auch zu einer schweren Bürde. Ich hatte vorgestern bei Kuea nicht allein zu Haus mit einer engen Freundin darüber geredet. Ich kenne die Stereotypen in der Gesellschaft. Sie werden durch soziale Medien verbreitet und deswegen haben normale Menschen auch ähnliche Vorstellungen von Menschen, die sie toll finden. Es gibt nicht ohne Grund sowas wie clean girl aesthetics oder boss girls. Es gibt nicht ohne Grund die alternativen Nirvana-grunge-rocker oder den BTS-style. Und ich – gut das ist natürlich auch dem geschuldet, dass ich mich darin sehr wohl fühle und mein Haupthobby die letzten Jahre auch wirklich skateboarden war – ich sehe halt aus wie ein Chill-Guy-Skaterboy. Und das möchte ich aber auch sagen, ich liebe diesen Style, er ist auch einfach super duper entspannt und bequem. Aber das ist ja bloß eine Fassade, bloß ein Spiel, dass die sozialen Medien uns aufdrängen. Das macht es für mich deshalb auch so schwierig, wenn ich merke, dass irgendwelche süßen Mädchen mir schöne Augen machen. Die besagte Freundin meinte, ich solle mich darüber einfach freuen und es als Kompliment sehen. Aber aus meinen letzten Bekanntschaften weiß ich ja nun auch, dass es alles bloß ein Film ist, alles bloß Illusion. Sie haben diese Bilder von Social Media im Kopf und einige wollen dann halt aus so einen Boy haben. Deswegen ist mein Instagram-Profil aber auch so untypisch. Ich sehe vielleicht wie so ein Boy aus, aber ich vermeide es trotzdem, so zu tun, als ob ich wirklich so einer wäre. Vielleicht hat sie auch recht, vielleicht sehe ich das alles ein wenig zu verkopft. Ich habe in meiner Kindheit aber auch ständig Leute verletzt oder traurig gemacht. Ich sehe ständig überall Trauer. Dass ich die Distanz wahre, rührt daher einfach, solche Komplikationen zu vermeiden. Also entweder begegne ich jemanden, der eben wirklich eine starke Persönlichkeit hat und das aushalten kann, wenn man viele kontroverse Meinungen hat, die nicht zur Gesellschaft passen, oder ich lenke das Gespräch subtil in irgendeine Richtung, in der ich selbst nicht mehr reden muss und die Aufmerksamkeit woanders liegt.

Gut, damit haben wir das Rätsel schon wieder ein bisschen weiter aufgelockert, oder nicht? Was halten Sie davon? Macht es Ihnen Angst? Ich befürchte es manchmal. Ich mache mir selbst auch Angst, deswegen versuche ich alles sehr behutsam zu durchdenken und die Konsequenzen meines Tuns im Blick zu behalten. Wissen Sie, ich habe irgendwann vor, doch mal mit Politikern zu konkurrieren. Viele Politiker sind da genau das Gegenteil und das zeigt so ein bisschen ihre Dummheit. Die Mehrheit erwartet, dass Politiker besser als sie sind, sonst würden sie diese nicht wählen. Sie würden sich niemals von jemanden führen lassen, der weniger Ahnung als sie selbst hat. Aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, denn die meisten Politiker (ich war ja 2,5 Jahre in der SPD und mehr als 10 Jahre im aktiven Politikfeld) sind tatsächlich ziemlich dumm, können aber schlau reden. Es ist viel schwieriger, sich dumm zu stellen und gar nicht so schwer, sich schlau zu stellen. Akademiker haben häufig diese Krankheit, dass sie glauben, weil sie schlau reden können, dass sie tatsächlich schlau sind. Und deshalb habe ich auch keine Lust mehr, mich mit Wissenschaft und Universität auseinanderzusetzen, weil die wirklich arrogant und lebensfern denken, es aber so hinstellen, als wäre das Gegenteil der Fall. Aber naja, was kann schon ein Einzelner gegen diese ganze Korruptionsmaschinerie tun? Ich für meinen Teil habe eine persönliche Lösung gefunden, doch mich trauert ein wenig die Mehrheit. Normale Menschen ziehen sich in das Private zurück, geben sich der Sucht und Drogen hin oder verzweifeln in psychischen Krankheiten. Und das ist ein wenig schade. Und deswegen muss ich, das ist ein Geständnis aus der Not heraus, ja doch irgendwie einen kleinen Teil dazu beitragen, diese Korruptionsmaschinerie auszuhebeln.


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