Ein Selbstgespräch #2

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Ich melde mich schon wieder bei Ihnen! Wenn man bedenkt, dass ich sonst im Schnitt alle zwei Monate etwas schreibe, ist das doch sehr verwunderlich. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass der letzte Beitrag wirklich erfrischend war und mir eine Menge Spaß bereitete. Normalerweise habe ich eine große Angst davor, etwas zu publizieren. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass man irgendwie etwas von sich hält. Und wenn man etwas von sich hält, dann besteht natürlich die Scham, dass diese Haltung, die man ja doch an den Tag legt, vielleicht zerstört wird. Zudem gibt es noch so moderne Phänomene wie Cyber-Mobbing und ich habe eine lange Zeit gebraucht, um so eine Stabilität zu haben, dass ich mich dagegen wehren kann. Zuletzt schrieb ich mal einen Kommentar auf so ein Video von Orange Jungle und dort bewerteten Straßenpassanten ihre eigenen Outfits. Ich schrieb „hä, die ersten drei tragen einfach nur schwarze Jacke und Jeans. ich check deren Selbstbewertung gar nicht“ und einen Tag darauf kommentierte einer dieser jungen Menschen „NPC“ unter eines meiner Videos. Und mir wurde das erste Mal bewusst, dass es mir nicht so viel ausmachte. Nicht, dass es mich nicht beschäftigte, aber ich dachte mir sogleich „Aber du antwortest doch unter meinem Video und hast deinen eigenen Account auf privat, es scheint mir eher dass du doch der Nebendarsteller bist?“. Es geht ja auch nicht darum, sich gegenseitig runterzumachen, ich hab mir tatsächlich nicht so viel dabei gedacht, aber anscheinend ist den jungen Leuten doch sehr wichtig, was andere von ihnen halten.

Ich würde mich dabei selbst vermutlich nicht rausnehmen. Aber mir ist die Meinung der meisten Leute wirklich unwichtig. Es sind Menschen, die keine Ahnung haben, nur vor sich hinleben und wenn man mal sich anschaut, was sie im Leben treiben, dann weiß man doch recht schnell, dass ihr Leben sehr austauschbar ist. Ich meine das nun auch nicht negativ, es ist eine sehr nüchterne Feststellung, dass sich viele gar keine Gedanken um ihre eigene Sterblichkeit und Einzigartigkeit machen. Und meine Wenigkeit hat sich mit so einem Irrsinn wie Nietzsche früher rumgetrieben und ich schätze, da Nietzsche ein so großer Polemiker war, habe ich daher auch eine unbewusste Stärke für intellektuelles Mobbing – da muss ich wirklich aufpassen, dass dieses sprachliche Raubtier sich nicht übernimmt. Ich gebe mir sehr Mühe, diese Seite zu unterdrücken, da ich weiß, dass keiner gerne hört, wie ungenügend er ist. Andererseits bin sehe ich das ganz anders, ich höre sehr gerne, wenn mir Leute etwas vorwerfen können. Viele wissen ja gar nicht so genau, was sie in ihrem Leben verbessern könnten und tatsächlich bin ich rückblickend immer sehr dankbar für jene Menschen gewesen, die mir den Spiegel vorhielten und ihren Beitrag dazu leisteten, dass ich mir Gedanken darum mache, mich zum Positiven zu verändern. Nur passiert das leider sehr selten, wir leben in einer Kultur, in der Fehler nicht gerne toleriert werden, in denen die Masse lieber irgendwelche schwachen Menschen beschimpft. Sie sollten sich lieber jemanden wie mich aussuchen und ich bin dann auch gewillt, mich auf einen lustigen Schlagabtausch einzulassen (leider ist meine Erfahrung, dass die wenigsten gerne einen Schlagabtausch mit mir haben – das macht die meisten Konversationen sehr nett, aber auch ein wenig langweilig).

Ich habe gestern mal meine Statistiken zu diesem Blog mir angeschaut. Wissen Sie, es gab einen Artikel, den ich auf Instagram geteilt habe. Dieser hatte im letzten Quartal fünf Aufrufe. Die restlichen Artikel hatten nur einen Aufruf oder keinen. Mir ist schon immer bewusst gewesen, dass ich ein sehr unwichtiger Mensch bin. Andererseits bekomme ich immer wieder vermittelt, was für einen Eindruck ich auf Leute hinterlasse. Ist das nicht eine lustige Ironie? Anscheinend bringt das Eindruck-hinterlassen nichts ein als Ignoranz. Das ist ja das Besondere an Influencern: Sie hinterlassen eben keinen bleibenden Eindruck, sondern sind einfach zu konsumieren und man vergisst sie sobald man sich der nächsten Tätigkeit widmet. Bei mir ist es eben ganz anders, wenn man sich ein wenig mit mir unterhält, bleibt die Konversation für einige Tage hängen und die Leute haben schon gar keine Lust mehr, sich nochmal mit mir zu unterhalten.

Ich frage mich manchmal, ob das nun ein Segen oder ein Fluch ist, dass ich meinen Platz in der Welt recht gut kenne. Ich wandle zwischen zwei Welten, zwischen einer Welt der geistigen Armut und einer Welt, die ihre geistige Art viel zu ernst nimmt. Ich hasse die großen Philosophen wie Kant, die glauben, dass sie irgendwas Ewiges begründen können und liebe gleichzeitig die Menschen, die auch wenn sie sich ihrer Rolle gar nicht bewusst sind, täglich dazu beitragen, dass es in unserer Gesellschaft vorangeht. Und das ist doch eigenartig, diejenigen, mit denen ich mich am wenigsten verstehe, kenne ich am besten, und diejenigen, die mir am liebsten sind, kann ich nichts anbieten (am stärksten wurde mir das bei meiner Ex-Freundin bewusst). Das könnte man schon fast als existentielle Ironie bezeichnen.

Und das ist wohl auch der Grund, warum ich ein einsames Dasein fristen muss. Es ist nicht wirklich einsam in dem Sinne, dass ich mich mit niemanden unterhalten kann. Es ist aber einsam in dem Sinne, dass mein bester Freund bislang ein leeres Blatt Papier ist. Das Gefühl ist unter Schriftstellern weit verbreitet, daher haben sie es auch immer wieder vollbracht, eine eigene Welt zu schaffen. Harry Potter, Der Hobbit oder Warcraft und das League of Legends Universum, das sind einige einfachere Beispiele. Die schwierigeren Beispiele sind so jemand wie Goethe, Rilke oder Brecht. Ganz schlimm ist Hesse. Wer einsam ist, dem bleibt nur das Schreiben oder die Stille. Und wenn ich mir irgendwann das Schreiben abgewöhne und mich der Stille widme, ist vieles gekonnt.

Wissen Sie, das Schreiben ist eine Art Schutz. Wenn man ständig still ist, dann muss man sich dran gewöhnen, dass eben andere etwas über einen sagen. Ich finde das ganz schön unfair, was mir alles schon angedichtet wurde. Ich sei intelligent, unkonventionell, launisch, entspannt oder was weiß ich. Das sind doch alles Attribute, die man Menschen immer im Vergleich zur Gesellschaft zuschreibt. Ich muss den Leuten immer wieder erklären, dass ich die Gesellschaft nicht als Maßstab nehme, sondern mein eigenes Verhalten. Der Durchschnitt ist doch miserabel, die reichsten Menschen der Welt existieren nur, weil sie wissen, dass der durchschnittliche Mensch durchschnittliche Dinge erwartet und er diesen durchschnittlichen Dinge verkaufen kann. Ich wende mich aber immer an Menschen, die außergewöhnlich sind und da es so selten außergewöhnliche Menschen gibt, ist meine Zielgruppe sehr klein. Wirtschaftlich ist meine Ansicht also nicht. Aber ich bin trotzdem sehr zufrieden damit. Das Nervige ist bloß, dass man sich ständig erklären muss. Und darum ist Schreiben Selbstschutz!

Eines Tages könnte es sein, dass jemand auf diese Schriften trifft. Das ist doch insgeheim mein Traum. Es stört mich nicht, dass niemand meine Texte liest, aber ich wünschte mir, dass es dann doch einige Wenige gibt, die irgendetwas davon mitnehmen und sei es auch nur ein Schmunzeln. Ich habe schon noch vor, einiges außerhalb des Schreibens zu bewegen. Aber egal, was ich bewege, die Menschen sollen wissen, dass ich es insgeheim alles ein wenig geplant habe. Dass ich mir sehr bewusst darüber bin, was ich tue und dass meine innere Stärke aus diesen Schriften herrührt. Dieser Blog wird in einem Monat 5 Jahre alt. Und eines Tages wird er 10 Jahre alt, 20 Jahre alt. Ich muss mich noch anstrengen, dass ich nicht bloß schreibe, sondern auch umsetze. Und dann fangen Menschen in ihrer Midlife-Crisis meine Schriften zu lesen und vielleicht fassen sie es gar nicht, dass diese Blödeleien von so einem merkwürdigen Menschen Anfang 20 geschrieben worden sind. Vielleicht hören Sie doch ein kleines Bedürfnis nach Anerkennung heraus. Man wird ja wohl noch träumen dürfen! Die größere Wahrscheinlichkeit, da bin ich mir sicher, ist, dass es nie jemand lesen wird. Schreiberlinge machen schließlich bloß ein Angebot. Und anders als die Werbeindustrie habe ich kein Bedürfnis eine künstliche Nachfrage zu schaffen.

Ich bin nun doch ein wenig müde. Ich habe tagsüber zu viel gedöst und meine Decke ist erdrückend warm. Ich schlafe doch schon bloß in Unterhose. Ich wünsche Ihnen ebenso eine gute Nacht!


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